Was wir aus der Abtreibungsdebatte im USA-Wahlkampf lernen können

Schon seit langem will ich endlich mit meinen Texten zu politischen Kommunikationsstrategien beginnen. Jetzt klappt es hoffentlich endlich.

Starten möchte ich mit einem Thema, das mich schon seit zwei Jahren beschäftigt und das ich für ein zentrales Beispiel dafür halte, wie politische Kommunikation funktioniert.
 
Wer sich ein wenig für Politik in den USA interessiert, wird sich vielleicht noch an die Wahlen zum Repräsentantenhaus vor 2 Jahren erinnern. Damals wurde den Republikanern von vielen ein Erdrutschsieg vorausgesagt. Geworden ist es dann ein ganz knapper Vorsprung von wenigen Mandaten.
 
Viele Analyst:innen haben das – teilweise schon vor den Wahlen –  mit einem Thema begründet: Der Abtreibungsfrage. Im Juni 2022 gab es dazu ein aufsehenerregendes Urteil des Supreme Courts, das den einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit gab, die Abtreibung massiv einzuschränken (Mehr dazu in diesem aktuellen Artikel, der auch ein wenig aufarbeitet, was seitdem passiert ist: How ‘Pro-Life’ Lost all Meaning
 
Während die Republikaner den vermeintlichen Sieg gefeiert haben, haben Demokraten das Thema genutzt, um es massiv im Wahlkampf einzusetzen (man sagt, dass ca.500 Millionen Dollar in Werbespots dazu investiert wurden). Und das mit Erfolg, wie oben beschrieben. Wie haben es also die Demokraten geschafft, eine vermeintliche Niederlage in einer ziemlich großen Erfolg zu verwandeln?
 
Der Grund ist, dass die Geburt eines Kindes eines der emotionalsten Themen ist, das es gibt. Nur wenige andere Dinge beeinflussen so das Leben von Menschen. Es ändert sich defacto alles. Viele freuen sich darüber, aber viele haben auch Angst davon, weil ein Kind zum falschen Zeitpunkt vom falschen Partner kommt. Hier kommt ein Thema ins Spiel, auf das ich in Zukunft noch stärker eingehen werde, die Freiheit. Tatsache ist es, dass es die persönliche Freiheit massiv einschränkt, wenn ich nicht mehr darüber entscheiden kann, ob ich ein Kind jetzt bekommen will oder nicht (Bei Frauen natürlich nochmal viel stärker als bei Männern).
 
Das überragt auch fast alle anderen Themen wie die aktuelle wirtschaftliche Situation, die Frage der Migration etc. Dann geht es nicht mehr um politischen Themen oder Vor- und Nachteile von einzelnen Kandidat:innen. Wenn mir eine Partei garantiert, dass sie für meine Freiheit kämpfen wird, die gerade massiv eingeschränkt wird, dann ist alles andere egal.
 
Das ist übrigens auch ein Grund, warum ich scherzhaft schon vor längerem gemeint habe, dass die Demokraten auch Micky Maus als Spitzenkandidaten aufstellen können, solange sie nur das Abtreibungsthema weiter hochhalten.  Und danach sieht es mit Kamala Harris übrigens aus, die natürlich als Frau das Thema nochmal viel besser transportieren kann (und es auch macht)
 
Was kann man daraus für die politische Kommunikation lernen? Es nützen die besten Fakten und Argumente nichts, wenn ein anderes Thema die Wähler:innen emotional viel besser anspricht. Leider ist das bei vielen Parteien noch immer nicht richtig angekommen, was sich zum Beispiel an der Klimafrage zeigt, die immer noch viel zu abstrakt, viel zu faktenreich und unemotional abgehandelt wird. Aber dies ist wieder ein eigenes Thema.
 
Marcel Kneuer

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